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R.I.P


Ich strecke mich. Ich bin, fühle, atme, die abgekühlte Luft weht durch mich hindurch, schmiegt sich an meinen starken glatten Rücken. Ich genieße die letzten Sonnenstrahlen, spüre, dass sie abkühlen und sich verflüchtigen, jeden Tag ein bisschen früher. Und ich spüre hinunter in meine Verbindung zur Erde. Strecke mich noch ein bisschen tiefer und wiege mich im Wind, der aufgekommen ist. Stehe hier und frage nicht, wie lange schon. Frage nicht, was habe ich eigentlich erreicht? Es sind Jahrhunderte, erzählt man mir, doch was bedeutet Zeit? Meine einzige Realität ist jetzt und ich schüttle mich, sodass die ersten Blätter sich lösen und sachte Richtung Boden schweben. Kann schon den Winter fühlen, in den kleinen Verästelungen, die beginnen, spröde zu werden.

In der Ferne brummt ein Motor und der Himmel färbt sich tintenblau. Um mich herum sind diese kleinen in merkwürdig bunte Farben gewickelten Wesen, die sich hektisch auf zwei Beinen bewegen. Sie rufen laut, und ich frage, wann ist diese Eile ausgebrochen?

Ich bin ein Baum im Hambacher Forst.

Ich war ein Baum.

Im Hambacher Forst.

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