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Vom Glücklichsein im Winter


Weihnachten ist längst vergessen, der Frühling ist nicht annähernd in Sicht. Menschen laufen mit grauen langen Gesichtern durch die Straßen der Stadt, sie wirken verloren und unglücklich, gelegentlich wage ich, jemandem verstohlen zuzulächeln und beobachte dann vielleicht ein verlegenes Wegschauen oder schüchternes Zurücklächeln, doch es gibt auch Menschen die aufbrausen und fragen was mein Problem ist.

 

Ich versuche mich beschäftigt zu halten, nicht in das mir nur allzu vertraute Loch namens Winterdepression zu fallen, denn da wieder rauszukommen ist nicht einfach. Ich hangel mich also so von Wochenende zu Wochenende, das klappt ganz gut, um die ausschließlich dunkle Zeit unter der Woche zu kompensieren. Denn ich spicke sie ganz einfach mit kleinen Events auf die ich mich freue. Da ist zum Beispiel dieses Faber Konzert, in der Muffathalle. Ich liebe die dunkle rauchige Stimme des Sängers, die einen hinausträgt aus dem alltäglichen Leben. Und häufig sind es alltägliche Situationen die er besingt, so treffend dass ich mich manchmal verblüfft umdrehe, wenn ich durch die Stadt laufe, mit seiner Stimme in den Phones, und nach demjenigen Ausschau halte, der mir in den passendsten Momenten die richtigen Faber-Worte schickt. Doch da ist keiner außer mir und der Musik. Und die zu hören ist wie ein wirklich gutes Buch zu lesen, nur eben mit Ton und ohne Buch.

 

Ich sehe also diese vielen traurigen Menschen,

die ihrem genau vorgegebenen Tages-, Wochen- und Lebensmuster folgen,

angetrieben von einer Uhr die nie aufhört zu schlagen

und ihre Stunden, ihre Tage und ihre Lebensmonate genau misst.

 

Diese traurigen Menschen, die durch die Straßen laufen als hätte sie eine unbekannte Hand namens Geld aufgezogen und es gibt für uns keinen Grund irgendwo zu verweilen wo etwas wirklich Schönes aber Kostenloses zu sehen ist, denn Zeit ist Geld und bekanntlich ist Kostenloses verlorene Zeit und damit umsonst. Und wo sind alle die, die vielleicht eines Tages nicht mehr aufstehen konnten? Die eines Tages feststellen mussten, dass sie ausgebrannt sind von dem Laufen: Dem Hinterherlaufen von Dingen die sie zwar erreichen können, die aber nie auch gleichzeitig ein Ziel sein werden. Ein Ziel das sie befreit und endlich ankommen lässt. Geld, Unterhaltung, Beförderungen und wieder Geld.

 

Wenn du dann am Boden bist, weißt du wo du hingehörst. Wenn du ganz alleine bist weist du was du warst.

 

Ich stehe glücklich in der ausverkauften Muffathalle, neben, vor und hinter mir motivierte Besucher die zu Faber kommen um seine Musik zu hören und sich von seiner Stimme berühren lassen. Und gleichzeitig tragen vielleicht viele unter uns Konzertbesuchern innen drinnen ihre Sorgen mir hierher. Das Konzert wird wie erwartet eine Wumme die direkt ins Herz geht. Und ich höre die Lieder singe mit tanze im rauen Takt der Faber-Stimme und warte auf das Lied in dem ich den Faber kennengelernt habe. Alles Gute. Endlich klingt er an

 

Weil du dir meistens nicht gefällst Und du tanzt wie ein Pferd Und du nur daneben stehst Und dir oft überlegst wie du gern wärst oder wer Und wenn du merkst, dass dich niemand versteht Und wenn du meinst, dass wenn du weinst und du flehst Sich niemand umdreht.

 

Nur leider schaffst du es, Faber, das Lied wirklich zu versauen. Das ist dein Hit, das ist ein Hit für viele Menschen geworden, vermutlich aus dem gleichen Grund warum auch ich dieses Lied so sehr liebe. Weil du die Menschen verstehst und ihre Probleme, ihre Wünsche, ihre Einsamkeit. Es wird aber in der Muffathalle ein ganz anderes Lied. Es wird ein Lied in dem mitklingt wie berauschend Erfolg sein muss. Wie für diesen Erfolg Grundsätze aufhören zu zählen. Ich hätte das niemals gedacht, aber ich drehe mich um. Sehe die frenetisch jubelnden Menschenmassen, die schier ausrasten und die nicht tanzen wie ein Pferd sondern als wären sie in einem Wiesnzelt im schönsten Herbst.

 

Ich schiebe mich durch die Menschen,

ganz links seitlich vorbei Richtung Ausgang,

denn ich will das nicht hören.

 

Werde immer wieder blockiert und ernte zornige Blicke. Und plötzlich werde ich von hinten geschubst, von einer Person die nach vorne schaut und mich kommen sah. Ich drehe mich um. Sehe in die erbost funkelnden Augen einer Mittfünfzigerin deren Gesicht bitter aussieht wie eine blonde Zitrone. Ich frage sie, warum sie das tut. Sie geht mit erhobenen Händen drohend auf mich zu grinst mich boshaft an und ich wünsche ihr ein schönes Restleben, drehe mich um und verlasse die Halle. Verpasse die Zugabe und setze mich hin, zwischen Zigarettenautomat und Ausgang. Sehe die ersten vereinzelten Füße an mir vorbeischlappen, an der noch leeren Garderobe verweilen, dann weiter zum Ausgang.

 

Die Füße stecken ausschließlich in individuell ausgewählten Schuhpaaren,

keines davon ist abgerissen oder wirkt zufällig ausgewählt.

 

Es werden immer mehr Füße die das Konzert verlassen, zurückkehren in verschiedene Alltagsleben und morgen dann wieder in die Arbeit, es ist ja erst Montag. Diese Füße fühlen sich nicht beobachtet und sie verraten durch ihr Stehen und Gehen erstaunlich viel über die dazugehörenden Menschen. Und ich denke plötzlich an all die Menschen die nicht da sind. Die depressiv sind und nicht mehr teilnehmen können an Konzerten, an Partys und am Arbeitsalltag. An die vergessenen Menschen die aufgehört haben zu laufen und damit anfangen aufzuhören an das Leben zu glauben.

 

Menschen die depressiv und ausgebrannt sind von der beständigen Hektik

und der unfassbaren Leere -

die Hand in auf widersinnige Art zusammengehören ...

 

Wie Feuer das im Wasser brennen soll. Oder Wasser das durch Feuer fließt. Diese Menschen sollten uns zeigen was krank ist an unserer Art Dinge zu tun und Leben zu leben. Doch wir hören auf darüber zu reden, denn es ist nicht gesellschaftlich erwünscht darüber zu sprechen dass die Seelen tödlich krank sind, da breche ich mir doch lieber den Arm.

 

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