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Vom Zuhören und Warum wir mehr Momo’s brauchen

 

Michael Ende ist ein Schriftsteller der es schafft, in kindlicher Sprache über die elementarsten Themen des Alltags und des Lebens zu schreiben. Zum Beispiel Momo, das Mädchen, das nichts tut, außer zuzuhören und damit alles erreicht. Sie stellt die Welt der Zeit-Sparer, der grauen Herren, auf den Kopf und wird zur größten Gefahr einer Welt, in der alles aufgerechnet wird und keine Minute verschwendet werden darf. Die zeitsparenden grauen Herren sind gleichzusetzen mit Vertretern von Wirtschaftsriesen. Und die Zeit im Buch Momo ist ein Synonym für Geld in unserer Welt.

 

Zuhören? Na ja, mach ich jeden Tag, und eigentlich bringt es nichts. Mein Geld - meine Zeit - wird verschwendet, warum sollte ich damit jeden Tag Zeit verbringen? Zeit mit dem Gewäsch anderer, die ja schon in einer Schublade einquartiert werden in den ersten Bruchteilen einer Sekunde am Anfang unserer Bekanntschaft. Ja, ja ich weiß schon was du sagen willst. Jetzt muss aber ich was dazu sagen - denn tatsächlich ist es so, dass ich so gerne rede um zu reden, denn ich will doch all die Gedanken die ich mir mache auch weitergeben. Medien reden ununterbrochen, meist über schlechte Nachrichten, denn bekanntlich sind ja Bad News für die Auflage Good News. International reden Politiker darüber, wie richtig und einzig sinnvoll die eigene Partei und deren Programm ist. Dabei am besten möglichst laut und mit langem Atem, denn der Politiker mit dem stärksten Stimmorgan setzt sich in solchen Runden stets durch.

 

 

Im ursprünglichen Begriff des Wortes sollte ein Politiker der beste Zuhörer sein,

denn in unserer Demokratie wird er gewählt um für die Wähler zu sprechen.

 

In seinem Amt sollte er lauschend ins Volk hören, dessen Gedanken wiedergeben und sich nicht positionieren in persönlichen Eitelkeiten. Wer redet noch ohne etwas zu sagen oder zu hören was gesagt wurde? Man kann sagen wir alle. Angefangen bei den kleinsten sozialen Einheiten - in Partnerschaften ebenso wie in Freundschaften ab zwei Menschen - kommt es zu Reibungen und Konflikten. Ich denke, dass Konflikte die Grundlage für konstruktive Lösungen sind. Doch betrachtet mal den nächsten Streit im kleinen privaten Umfeld. Und zwar ein bisschen neutral und ein bisschen mit Abstand der persönlich vertreten Position. Es wird gestritten und oft komme ich am Ende des Streits zum Schluss, dass ein Konsens innerhalb kürzester Zeit erreichbar gewesen wäre - hätte ich nur verstanden was der andere will. All diese Konjunktive, möchte man sagen, doch sie fallen weg, vollständig: Durch einfaches Hören was gesagt wird.

 

Ohne im Hinterkopf schon ein Gegenargument vorzubereiten,

ohne mich sofort persönlich angegriffen zu fühlen.

 

Ich stelle fest, die Menschen reden plötzlich ganz anders mit mir. Ohne gehetzt zu sein, ohne sich zu verteidigen und ohne mich anzugreifen. Sie sagen, was sie denken. Spüren gleichzeitig, dass der Empfänger die Worte so ungefiltert wie irgendwie möglich annimmt und wichtig ist, was sie sagen. Es ist egal, wie weit die politische Ausrichtung abweicht vom Gegenüber. Es spielt keine Rolle wie unterschiedlich die Gesprächspartner aufgewachsen sind. Sobald nur einer von beiden zuhört und bereit ist konstruktiv zu diskutieren.

 

Dann kann ein Linker sich mit einem Rechten unterhalten,

Feministen reden mit Sexisten

und vielleicht könnte auch ein Trump mit einem Putin sprechen.

 

Doch leider reden wir die meiste Zeit um gehört zu werden. Leider sind für so viele gesagte Worte keine Zuhörer mehr übrig. Für meinen Teil muss ich sagen, ich habe es satt, Polittalkshows zu sehen, in dem sich Männer anschreien und tot-reden. Vielleicht sitzt eine Frau in der Runde, die ab und zu etwas einwirft. Aber in den meisten Fällen eben als Quotenfrau für den gleichberechtigten Eindruck der Sendung dabeisitzt und ruhig vor sich hinlächelt. Oder auch nicht-lächelt. Obwohl ich vermutlich der schlechteste Zuhörer aller Zeiten bin, ständig hochfahre und mich über andere Meinungen aufrege bevor ich sie auch nur versuchsweise nachvollzogen, geschweige denn verstanden habe: Immer öfter lerne ich die Menschen wirklich kennen. Setze mich bewusst hin - zu meinem Partner, in eine Runde mit Leuten die alle so viel zu erzählen haben oder an Weihnachten mit der Familie unter den Baum.

 

Es ist so leicht und gleichzeitig so verdammt schwer.

In der Zeit, in der Andere reden - einfach … Nichts zu sagen.

 

Nichts zu denken, außer den Gedanken der Sprechenden zu folgen. Es ist überraschend wie verändert Botschaften ankommen, wie sich flüchtige Bekanntschaften zu tiefen Freundschaften entwickeln. Unter Personen die grundverschieden sind.

Was wohl mit unserer vermeintlich so zivilisierten und sozialen Gesellschaft gesamtglobal passiert? Wenn jeder Einzelne anfängt, sich zu interessieren für die Meinung seines Gegenübers - in jeder einzelnen Minute seines Lebens.

 

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