Es gab sie noch vor einigen Jahren zuhauf in München: kleine Clubs in denen Rock und Indie Bands auftraten und anschließend lokale DJs Tanzmusik aus den Sechzigern, Folk, Indie- und Tronic Musik auflegten. Die Wahl der Lokalität fiel nicht immer leicht und das aufgrund des großen Angebots: Vom Atomic Cafe über das 59:1 bis hin zum Netzer und Overath. Die Clubs abschließend aufzuzählen ist unmöglich.
Doch Stätten der Szene sind kaum geblieben, das Angebot hat sich dezimiert oder ist gänzlich von der Bildfläche verschwunden. Gelegentlich schimmert Hoffnung durch, dass wir eines Tages unser gemeinsames Wohnzimmer doch wieder beziehen können.
Zuerst sprachen frühere Atomicgänger euphorisch über diesen neuen Club der jetzt aufmacht. Dann kam die Vorankündigung: Silvester können wir im Crisp feiern. Die Vorfreude war groß. Doch am angekündigten Eröffnungstermin stand ich gemeinsam mit ein paar Freunden in der Adventszeit in der Dachauer Straße vor einer Baustelle. Nichts deutete auf einen Club hin, noch Weniger auf eine baldige Eröffnung. Drei Mal überprüften wir die Adresse und liefen im Karree. Nichts.
Heute spricht man mit Gleichgesinnten - wenn überhaupt - nur noch mit vorgehaltener Hand über den Club, der vielleicht nie einer sein wird.
Kaum traut man sich laut über die Vorstellung einer Eröffnung in einer unbekannten Zukunft nachzudenken. Aber wenn man aufmerksam durch die Innenstadt geht, kommt man nicht um den Tagg eines Herzens mit traurigem Gesicht und dem angeführten Schriftzug CRISP herum. Die Menschen sind da, die sich ihr gemeinsames Zuhause zurückwünschen. Und es vielleicht beim Wünschen belassen in der Hoffnung, wird schon werden. Der Frust äußert sich dann in heimlich gesprühten Graffitis, die an das Fischsymbol in den Anfängen der christlichen Bewegung erinnern.
Aber woran liegt es dass wir zuschauen, wie ein Leichenwagen mit der Diskokugel des Atomic Cafes über die Maximilianstraße fährt nachdem bereits seit etlichen Jahren eine Schließung des Clubs bekannt war? Dass die Eingangstür - die jetzt für immer verschlossen bleibt - mit Pin-Its des Abschieds versehen wird und doch niemand offiziell protestiert hat gegen die Schließung unseres Wohnzimmers? Und warum werden Teile des Kultclubs im Münchner Stadtmuseum ausgestellt? Warum nur sind alle plötzlich so gerührt und doch wurde keine Alternative gefunden?
Möglicherweise sind wir eine Art beobachtender Generation,
die nicht laut aufstampft oder ihre Meinung heraustrompetet.
Wir schauen uns unser eigenes Leben an und versuchen das so glücklich zu leben wie möglich und mit einem Risiko, dass doch bitte so gering wie nötig bleiben soll. Das ist auf jeden Fall ein Weg, der zum Erfolg führen kann, gerade was das vermiedene Risiko angeht. Und doch ist vielleicht mit ein bisschen mehr Risiko auch ein bisschen mehr Glück drin.
Schon oft habe ich lange Gespräche geführt mit Menschen die brav ihr vorgegebenes Leben leben und doch nachdenken über das Warum und letztlich zum Wie kommen. In diesen Gesprächen waren wir uns einig: Das Wie können wir ändern. Und kurze oder auch etwas längere Zeit später treffe ich die gleichen Menschen wieder. Und sie leben inzwischen das, was sie von Eltern oder anderen Altvorbildern kennen:
Frauen, die gegen ihren inneren Widerstand und nach langen Gesprächen über die Ungerechtigkeit darüber, den Namen des Mannes annehmen.
Freiheitsliebende Menschen, die eine Familie nach konservativem Muster gründen und sich verbürgen ihr Leben für dieses Ziel in einem ungeliebten Job zu fristen.
Junge Menschen die eine Musikrichtung feiern und doch zusehen wie ihr Lieblingsclub geschlossen wird, sich ein letztes Mal weinend auf der Tanzfläche in den Armen liegen und sich an die Hoffnung klammern, dass vielleicht etwas nachkommt ohne selbst aktiv zu werden.
Und dann komme ich trotz allem zu dem Schluss: Ich liebe meine Generation.
Gerade weil sie optimistisch das tut was sie tut und ändert was sie kann - auch wenn das nicht die großen äußeren Dinge sind sondern vielleicht der Gedanke um das selbstbestimmte Wie. Und vielleicht sind Dinge nicht immer, was sie scheinen zu sein. Ganz sicher aber ist: Die Veränderung findet schon jetzt statt, in der Vernetzung Gleichgesinnter, außerhalb von angemeldeten Clubs und Veranstaltungen. Draußen in Parks und an der Isar bei schönem Wetter und drinnen in den eigenen vier Wänden bei Partys die komplett autark im vertrautesten Kreis stattfinden. Private Veranstaltungen unterliegen weil unkommerziell kaum gesetzlichen Einschränkungen und Vorgaben.
Das Umdenken findet langsam statt. Indem immer mehr Menschen aufhören an die Gegebenheiten zu glauben, nicht dafür leben sondern eben als notwendig mit diesen. Wir wissen schon, dass sich etwas ändert. Dass sich das kleine Umfeld dahingehend ändert indem wir machen worauf wir Lust haben. Ohne Regeln zu brechen machen wir diese überflüssig, weil es auf einmal nur noch Regeln sein werden mit denen man sich zwar arrangiert, die aber das eigene Leben weniger und weniger betreffen werden. Denn schließt die Obrigkeit einen Club oder verhindert sie die Eröffnung eines neuen:
Wir sind zu jung um zu warten. Und wir leben schon jetzt was wir sind.